200 Jahre Biergarten:
München und Oberbayern feiern den Biergartenerlass von 1812

2012 steht das touristische Jahr in München und Oberbayern ganz im Zeichen einer großen Tradition, die wie keine andere zum Inbegriff für die  bayerische Lebensart wurde: Vor 200 Jahren, am 4. Januar 1812, wurde von Bayerns König Max I. durch allerhöchstes Reskript erlaubt, dass Brauereien direkt am Ort der Herstellung ihr Bier ausschenken dürfen. Der Verkauf von Speisen war darin noch ausdrücklich verboten, worauf der Kern der bayerischen Biergarten-Tradition zurück geht. Bis heute hat man in „echten“ bayerischen Biergärten das Recht, seine Brotzeit selbst mitzubringen und zu verspeisen.

Für Einheimische und „Zuagroaste“ ist das sogenannte „Brotzeitrecht“ seit 200 Jahren gelebte Tradition und einfach ein herrlicher Grund, sich an warmen Tagen und Abenden mit Familie, Freunden und Fremden nirgends anders als im Biergarten der Gemütlichkeit, dem Genuss und der Geselligkeit zu widmen. Wer keine Zeit hat , den Picknickkorb  zu packen, findet in jedem Biergärten ein reichhaltiges Angebot von klassischen Brotzeitschmankerl wie Radi, Obazda oder Schnittlauchbrot und warme Spezialiäten.

In Kooperation mit Brauereien, Wirten und Regionen stellen das Tourismusamt München und der Tourismusverband München-Oberbayern die Biergärten 2012 in dem Mittelpunkt Ihrer Kommunikationsaktivitäten.

Es war einmal…

Ein weiteres Attribut prägt den Charakter des bayerischen Biergartens fast ebenso, wie das „Brotzeitrecht“, die Schatten spendenden Kastanienbäume. Als es noch keine elektrischen Kühlsysteme gab, pflanzten die Brauer über den Bierlagerkellern Linden und Kastanien und streuten eine dicke Schicht Kies darüber. So blieben die Keller kühl und die Biere länger frisch. Gerne verweilten die Bürger nach dem Bierkauf noch im Schatten der Bäume und tranken das für zu Hause gekaufte Bier gleich aus. Der „echte“ Biergarten war geboren und das königliche Restrikt erlaubte den Brauereien, erstmals außerhalb der Wirtschafts-Räumlichkeiten Bier auszuschenken. 

… bis heute

Diese Tradition erfreut sich bis heute großer Beliebtheit und ist ein Markenzeichen bayerischer  Lebensart. Hier treffen sich Nationalitäten aus aller Welt, Generationen von jung bis alt und Menschen aller Couleur. An lauen Sommerabenden gehört es in Süddeutschland zum Lebensstil, den Picknickkorb zu packen und den Tag mit einem frisch gezapften Bier im Freien ausklingen zu lassen. 2012 widmen die Brauereien und Biergärten in München und Oberbayern diesem Jubiläum zahlreiche Veranstaltungen und Festivitäten.

 


Eisschneiden im Winter für kühles Bier im Sommer


Vor 200 Jahren, am 4. Januar 1812, wurde von Bayerns König Max I. durch allerhöchstes Reskript erlaubt, dass Brauereien direkt am Ort der Herstellung ihr Bier ausschenken dürfen:
“Es ist den Bierbrauern gestattet, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Märzenbier in Minuto zu verschleißen, und ihre Gäste dortselbst mit Bier und Brod zu bedienen. Das Abreichen von Speisen und anderen Getränken bleibt ihnen aber  ausdrücklich verboten.“


Die bayerische Biergarten-Tradition wurde hiermit geboren. Allerdings standen die Brauer damals vor dem Problem, das im März gebraute Bier den Sommer über genießbar zu halten. Bier kann nur bei einer Temperatur von etwa sieben bis acht Grad Celsius längere Zeit gelagert werden. Da es noch keine Eismaschinen gab –der Münchner Professor Carl von Linde reüssierte erst 1877 mit einer in Brauereien einsetzbaren Kältemaschine -, musste bei der notwendigen Kühlung auf die Natur gesetzt werden: Das Eisschneiden zur Kühlung in Eiskellern stand somit am Anfang jeder Biergartensaison.

Der Brauer- und Mälzerkalender von 1880 mahnte die Leser im Januar: "Mit Eis stopf´s Deine Keller voll, wenn dir dein Bier gelingen soll!" Im ganzen Umland werkelten in der kalten Jahreszeit fleißige Arbeiter bei der Eisernte in Flüssen, Seen, Teichen oder in sogar eigens angelegten Eisweihern. Selbst der König verdiente an dem kostbaren Naturprodukt, in dem er den Nymphenburger Kanal verpachtete.

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges bedienten sich die Münchner Brauereien aus den Kanälen und Teichen des Nymphenburger Schlossgartens. Das Einbringen des kostbaren Gefriergutes erfolgte nach einem bewährtem System. Mit von Hand gezogenen Eispflügen ritzten jeweils mehrere Männer ein
schachbrettartiges Muster in die gefrorene Wasseroberfläche.

Die Pflugschar bestand dabei aus einer Reihe sich hintereinander aufbauenden Metallzähne, die sich immer tiefer in die manchmal fast 50 Zentimeter starke Eisdecke eingruben. Die letzte Hälfte wurde dann mit grobzahnartigen Stielsägen nach unten ins Wasser stoßend von den Männern der Länge nach durchgeschnitten.

Die langen Riegel wurden nun mit hakenbewehrten Stangen zum Ufer geflößt und dort mit Hammer und Stößel den Querrillen nach in gleichförmige Blöcke geteilt. Waren die Bierkeller in unmittelbarer Nähe, konnten die Brauer das Eis direkt in die unterirdischen Lager schaffen. Aber auch auf Pferdegespannen geladen oder später mit der Eisenbahn kamen die Eisvorräte in die Keller der Brauereien.

Einfach und wirkungsvoll ließ sich über sogenannte „Eisgalgen“ auf den Bierkellern die dringend benötigten Kältespender gewinnen. Hierzu errichteten die Brauer große Holzgerüste, rund fünf Meter hoch und bis zu zehn Meter lang, die bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt über Leitungen ständig mit Wasser berieselt wurden. So formten sich gewaltige, oft meterlange Eiszapfen. War jede Strebe des Gerüsts dicht an dicht mit Eiszapfen besetzt, wurde das Eis vom Galgen geschlagen und direkt über eine Luke in den bis zu 150 Kubikmeter Eis fassenden Kellerraum gefüllt. Durch große, unterirdische Öffnungen strömte die Eiseskälte in die Bierkeller. Wochen-, ja monatelang sorgten die Zapfen für günstige Temperaturen zur Reifung und Lagerung der Biere. Und irgendwann entsorgten sie sich einfach selbst: Sie schmolzen und flossen durch die Kellerböden einfach ins Grundwasser ab.

In milden Wintern mussten allerdings die Alpengletscher das nunmehr unentbehrliche Kühlmittel liefern. Dann fuhren beispielsweise die Karren der Augustiner-Brauerei bis hinter den Brennerpaß nach Südtirol, um das gefrorene Wasser heranzuschaffen.

In den Räumen des Münchner Bier- und Oktoberfest-Museums in der Sterneckerstraße ist das Original Handwerkszeug der Eisschneider heute noch zu sehen.